Zwei Esel auf Sardinien by Jutta Speidel

Zwei Esel auf Sardinien by Jutta Speidel

Autor:Jutta Speidel
Die sprache: de
Format: mobi
Herausgeber: Ullstein Verlag
veröffentlicht: 2011-05-25T22:00:00+00:00


Yassouf

Bruno

Es ist absolut windstill im Innenraum des Nuraghe. Er ist rund und nur ungefähr sieben Quadratmeter groß, und die am besten erhaltene Stelle des Gemäuers, wo wir Arm in Arm geschlafen haben, ist etwa anderthalb Meter hoch und zwei Meter im Durchmesser.

Obwohl es penetrant nach Ziegenbock stinkt, haben wir hier unter einer Heugarbe geschlafen. Diesen unerträglichen Moschusgeruch sondern Ziegenböcke normalerweise in der Paarungszeit ab. Es hat schon etwas gedauert, bis ich mich daran gewöhnt hatte, aber im Vergleich zur ersten Nacht war das gar nichts.

Yassouf, ein Afrikaner, den wir kurz nach dem Aufstehen kennengelernt haben und der jeden Morgen mit anderen Migranten hierherkommt, um in den Olivenhainen zu arbeiten, erzählt uns vom Besitzer des Hains, einem gewissen Marchese Valdes. Jedes Jahr produziert er in dieser Gegend feinstes Olivenöl und einen ausgezeichneten Wein. Vor vier Jahren hat er einen neuen Weinberg angelegt, um ein Zeichen für das Wiederaufblühen einer Gegend zu setzen, in der früher einmal der beste Cannonau, eine typisch sardische Rebsorte, hergestellt wurde, und um diesen fünfzehn jungen Migranten, fast alle von der Elfenbeinküste, Arbeit zu geben. Yassouf spricht voller Respekt und Bewunderung über seinen Padrone. Es ist schon ein wenig seltsam, einem schwarzen Einwanderer von der Elfenbeinküste zuzuhören, der perfekt Italienisch mit sardischem Akzent spricht, aber wetten, dass wir heute durch ihn wieder jede Menge Neues lernen werden?

Jutta und ich sind ganz hin und weg von diesem freundlichen Lächeln, seiner offenen Art und der Hingabe, mit der der junge Mann die Ohren unserer Esel streichelt. Fil’e und Ferru haben die ganze Nacht über friedlich geschlafen. Jetzt schreien sie und sind unruhig. Yassouf hat sie gerade vom Baum losgemacht, an dem wir sie am Abend festgebunden hatten, aus Angst, sie würden fortlaufen.

»Man braucht sie gar nicht so festzubinden, kein Wunder, dass sie sich nicht beruhigen. Beim nächsten Mal bindet das Halfter einfach einmal um die Fesseln …«

Unsere Maultiere genießen selig das Kraulen hinter den Ohren, und es dauert keine fünf Minuten, da fallen ihnen den Augen zu. Wenn man Yassouf so zuhört, möchte man am liebsten mehr von ihm wissen und verstehen. In Zeiten, wo man alles Fremde verteufelt und kein Verständnis zeigt, kann man ein wenig optimistischer in die Zukunft blicken, wenn man Menschen wie ihm begegnet. Im Gegensatz zu seinen Schicksalsgenossen aus Ghana oder dem Maghreb, die sich in ganz Süditalien ohne Papiere und illegal aufhalten, fühlen er und seine Freunde sich nicht ausgebeutet. Ganz im Gegenteil. Durch die Arbeit in den Olivenhainen des Marchese verdienen sie gut, und das bei freier Kost und Logis. Ich war noch nie in Schwarzafrika, aber Jutta hat dort schon einige Male gedreht und sagt, dass sie sich immer willkommen und geliebt gefühlt hat. Hier in Italien hat unsere letzte Regierung ein verfassungswidriges Gesetz verabschiedet, wonach für Immigranten gleiche Rechte nur dann gelten sollen, wenn es uns genehm ist. Oder besser gesagt, solange wir sie als billige Arbeitskräfte ausnutzen können, die wir danach jederzeit postwendend zurückschicken können! Das kann sogar Yassouf nicht glauben, so etwas hätte er nie von einem Volk erwartet, von dem früher sechzig Millionen Emigranten über die ganze Welt verstreut waren.



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